Neuigkeiten - Recht

Verbrannt statt aufgehellt: Schmerzensgeldanspruch nach folgenschwerer Blondierung durch Frisörin

Begeht der Friseur einen Fehler, kann das nicht nur emotionalen Schmerz zur Folge haben. Im folgenden Fall litt die Betroffene zudem nicht nur körperlich an den Folgen ihre Frisörbesuchs, sondern hatte auch mit Langzeitfolgen zu leben. Die logische Folge war ein Schmerzensgeldanspruch, über den das Amtsgericht München (AG) entscheiden musste.

Begeht der Friseur einen Fehler, kann das nicht nur emotionalen Schmerz zur Folge haben. Im folgenden Fall litt die Betroffene zudem nicht nur körperlich an den Folgen ihre Frisörbesuchs, sondern hatte auch mit Langzeitfolgen zu leben. Die logische Folge war ein Schmerzensgeldanspruch, über den das Amtsgericht München (AG) entscheiden musste.

Eine Frau hatte schwarzgefärbte Haare, die sie sich nun blondieren lassen wollte. Kurz nach dem Auftragen des Bleichmittels habe sich eine unangenehme Hitze am Hinterkopf entwickelt. Dort sei bereits vor Ort auch eine Beule entstanden. Bei der anschließenden ärztlichen Behandlung seien schließlich Verletzungen und Verbrennungen am Hinterkopf der Frau festgestellt worden - und zwar mit bleibenden Folgen: An einer Stelle würden der Frau dauerhaft keine Haare mehr nachwachsen. Das sei nach Darstellung der Frau auf die Behandlung mit einem zehn- bis zwölfprozentigen Oxidant zurückzuführen. Dagegen wandte die Frisörin ein, lediglich ein viereinhalbprozentiges Oxidant verwendet zu haben.

Das AG sprach der Kundin das von ihr begehrte Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 EUR zu. Ein Sachverständiger des Friseurhandwerks hatte zuvor bestätigt, dass man eine Verletzung der hier vorliegenden Art bei einer 20-minütigen Einwirkungszeit und einem Wasserstoffperoxidgehalt von 4,5 % nahezu ausschließen könne. Bei der Haarfarbe der Frau nach der Behandlung sei es unmöglich, dass die Blondierung mit einem viereinhalbprozentigen Wasserstoffperoxid erreicht wurde. Es müsse mindestens ein neunprozentiges Wasserstoffperoxid verwendet worden sein. Aufgrund dieser nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen war das AG davon überzeugt, dass die Frisörin etwas falsch gemacht hatte. Bei der Bemessung des Schmerzensgelds waren insbesondere Art, Intensität und Dauer der erlittenen Verletzung vom Gericht einbezogen worden.

Hinweis: Falls Betroffene nach einer Behandlung bei einem Frisör oder Tätowierer Schmerzen verspüren, sollten die Beweise unmittelbar gesichert werden. In jedem Fall ist ein Arztbesuch zu empfehlen.


Quelle: AG München, Urt. v. 27.11.2023 - 159 C 18073/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 05/2024)

Nachlassgericht nicht zuständig: Nur Beschwerdegericht darf das Ruhen von Erbscheinsverfahren anordnen

Um unterschiedliche Entscheidungen zwischen Nachlassgericht und Zivilgericht bei parallel laufenden Verfahren zu vermeiden, kann das Nachlassgericht das Erbscheinsverfahren aussetzen und die Entscheidung des Zivilgerichts abwarten, wer Erbe geworden ist. Dass dies aber nicht in allen Fällen möglich ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG).

Um unterschiedliche Entscheidungen zwischen Nachlassgericht und Zivilgericht bei parallel laufenden Verfahren zu vermeiden, kann das Nachlassgericht das Erbscheinsverfahren aussetzen und die Entscheidung des Zivilgerichts abwarten, wer Erbe geworden ist. Dass dies aber nicht in allen Fällen möglich ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (OLG).

Das Nachlassgericht hatte mit Beschluss vom 16.08.2023 bezüglich eines beantragten gemeinschaftlichen Erbscheins die dafür erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Hiergegen hatte eine Miterbin Beschwerde eingelegt und diese unter anderem damit begründet, dass die als Grundlage angenommenen Testamente wirksam angefochten und wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam seien. Zugleich wurde auf eine bereits erhobene, aber noch nicht entschiedene Erbenfeststellungsklage beim Landgericht verwiesen. Das Amtsgericht (AG) hatte daraufhin das Verfahren ausgesetzt und dies damit begründet, dass die Entscheidung in dem Rechtsstreit auf Erbenfeststellung maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung im Erbscheinsverfahren habe. Gegen diese Entscheidung zur Aussetzung des Verfahrens haben sich wiederum die übrigen Miterben zur Wehr gesetzt - und dies erfolgreich.

Das OLG hat hier klargestellt, dass das erstinstanzliche Erbscheinsverfahren mit dem Beschluss des AG vom 16.08.2023 bereits beendet war. Die Einlegung der Beschwerde, die auch dort zu erfolgen hatte, sei bereits Teil des Beschwerdeverfahrens. Die Kompetenz des Nachlassgerichts beschränkt sich aber nur noch auf die Überprüfung, ob es der Beschwerde selbst bereits abhilft. Sollte das Ausgangsgericht dies nicht machen, ist es dazu verpflichtet, das Verfahren unverzüglich an das Beschwerdegericht abzugeben. Aus diesem Grund sei es dem Nachlassgericht verwehrt gewesen, anstelle des Beschwerdegerichts das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

Hinweis: Nur wenn das Ausgangsgericht Abhilfe gegenüber der selbst getroffenen Entscheidung in Erwägung zieht und hierfür beispielsweise eine Beweisaufnahme notwendig ist, kann die Aussetzung des Verfahrens Teil der Abhilfeprüfung im Beschwerdeverfahren sein. Dann muss aber sichergestellt sein, dass in dem Zivilrechtsstreit die Beweisaufnahme zeitnah durchgeführt wird. Der Beschluss zur Aussetzung des Verfahrens muss entsprechend begründet werden.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 02.01.2024 - 6 W 166/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 05/2024)

Beschaffenheitsvereinbarung: Zusicherung "TÜV bis April 2023" bei Privatverkauf bindend

Bei privaten Autokäufen wird ein vermeintlich guter Deal durch den sogenannten Sachmängelhaftungsausschluss schnell zum Alptraum. Der Fall des Oberlandesgerichts Rostock (OLG) lag jedoch anders, denn hier musste erst einmal festgestellt werden, ob dieser Vertragspassus überhaupt griff oder ob die gemachte Zusicherung nicht etwa über den vereinbarten Ausschluss der Sachmängelgewährleistung hinausging.

Bei privaten Autokäufen wird ein vermeintlich guter Deal durch den sogenannten Sachmängelhaftungsausschluss schnell zum Alptraum. Der Fall des Oberlandesgerichts Rostock (OLG) lag jedoch anders, denn hier musste erst einmal festgestellt werden, ob dieser Vertragspassus überhaupt griff oder ob die gemachte Zusicherung nicht etwa über den vereinbarten Ausschluss der Sachmängelgewährleistung hinausging.

Ein Autokäufer erwarb bei einem privaten Verkäufer ein Fahrzeug. In dem privaten Kaufvertrag hatte der Verkäufer eingetragen "bis April 2023 TÜV". Einen Prüfbericht hatte der Verkäufer von dem Vorbesitzer nicht bekommen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die TÜV-Angabe falsch war. Das Fahrzeug hatte letztmalig 2019 eine Hauptuntersuchung (HU) durchlaufen. Der Käufer trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück und forderte Rückzahlung des Kaufpreises nebst Schadensersatz. Der Verkäufer berief sich hingegen darauf, dass ihm auch der Vorbesitzer diese Zusage gemacht habe. Einen TÜV-Bericht habe auch er nie gesehen, weswegen er nicht gewusst habe, dass die Angaben nicht korrekt waren.

Das OLG gab dem Käufer recht. Da die Zusage "TÜV bis April 2023" im Vertrag stand und auch in den Verkaufsgesprächen nachweislich eine Rolle gespielt habe, lag hier eine Beschaffenheitsvereinbarung vor - ein eventueller Sachmängelhaftungsausschluss greife daher nicht. Es war vom Verkäufer zudem fahrlässig, sich den Prüfbericht nicht zeigen zu lassen oder zumindest vor dem Weiterverkauf zu prüfen. Eine vorherige Sichtung sei auch von einem privaten Verkäufer zu erwarten gewesen.

Hinweis: Der Beklagte hatte das Fahrzeug mit dem Hinweis öffentlich angeboten, es liege eine noch bis April 2023 gültige HU vor. Nach dem Inhalt des Verkaufsgesprächs mit dem Kläger hatte der Beklagte auch hier unmissverständlich erklärt, das Fahrzeug habe "TÜV", und er müsse lediglich noch den Bericht der letzten HU heraussuchen und werde diesen dann gegebenenfalls nachreichen. Bei dieser Sachlage lag in Bezug auf den Umstand, dass das an den Kläger verkaufte Fahrzeug noch bis April 2023 "TÜV" habe, mindestens eine Beschaffenheitsvereinbarung vor. Das wiederum hat zur Folge, dass der im Kaufvertrag vereinbarte Ausschluss der Sachmängelgewährleistung diesen Punkt nicht einschloss und damit Gewährleistungsrechte diesbezüglich nicht ausgeschlossen waren.


Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 30.01.2024 - 7 W 3/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 05/2024)

Darlegungs- und Beweislast: Wer Schönheitsreparaturen vermeiden möchte, muss unrenovierten Übergabestatus belegen können

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste schon des Öfteren darüber entscheiden, wann welche Schönheitsreparaturen zu Lasten der Mieter in Mietverträgen zulässig sind. Dass der BGH in diesen Fällen sehr mieterfreundlich urteilt, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hierbei einige wichtige Dinge zu beachten sind - wie beispielsweise die vielbesagte Beweislast zu behaupteten Umständen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste schon des Öfteren darüber entscheiden, wann welche Schönheitsreparaturen zu Lasten der Mieter in Mietverträgen zulässig sind. Dass der BGH in diesen Fällen sehr mieterfreundlich urteilt, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hierbei einige wichtige Dinge zu beachten sind - wie beispielsweise die vielbesagte Beweislast zu behaupteten Umständen.

In einem Mietvertrag für eine Wohnung sollte eine Mieterin nach Ablauf bestimmter Fristen die Wohnung renovieren. Diese Klausel war nach Auffassung der Mieterin unwirksam, da sie die Wohnung unrenoviert übernommen hatte. Sie verlangte deshalb für die Durchführung von Schönheitsreparaturen einen Kostenvorschuss in Höhe von 26.000 EUR und die Feststellung, dass sie berechtigt sei, die Miete zu mindern. Dann einigten sich die Parteien auf einen Vergleich, und das Gericht musste noch über die Kosten des Rechtsstreits entscheiden.

Die Kosten musste die Mieterin tragen. Beruft der Mieter sich auf die Unwirksamkeit einer formularvertraglichen Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen unter dem Gesichtspunkt, dass ihm die Wohnung unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassen worden ist, trägt er für diese Behauptung auch die Darlegungs- und Beweislast. Und an einer Darlegung der Mieterin, dass ihr die Wohnung unrenoviert übergeben worden sein soll, fehlte es im vorliegenden Fall.

Hinweis: Es empfiehlt sich stets, bei Einzug in eine Mietwohnung Fotos vom Zustand zu fertigen. Das erspart für beide Seiten häufig späteren Ärger.


Quelle: BGH, Urt. v. 30.01.2024 - VIII ZB 43/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 05/2024)

Grundbuchrechtliches Verfahren: Nachweis der Nacherbfolge kann nur durch Erbschein geführt werden

Änderungen des Grundbuchs müssen grundsätzlich durch geeignete Urkunden nachgewiesen werden. Im Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) beantragte die Eigentümerin eines Grundstücks, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Löschung eines dinglichen Vorkaufsrechts.

Änderungen des Grundbuchs müssen grundsätzlich durch geeignete Urkunden nachgewiesen werden. Im Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) beantragte die Eigentümerin eines Grundstücks, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Löschung eines dinglichen Vorkaufsrechts.

Der bereits im Jahr 1990 verstorbene Erblasser hatte zusammen mit seiner im Jahr 2018 verstorbenen Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet, aufgrund dessen die Ehefrau zunächst zur befreiten Vorerbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod des Längstlebenden sollten die vier gemeinschaftlichen Kinder Nacherben werden. Im Jahr 1973 hatten der Erblasser und seine Ehefrau zu je einem Viertel und deren Sohn zu hälftigem Miteigentumsanteil ein Grundstück erworben. Der Sohn hatte dabei seinen Eltern ein gemeinschaftliches, dingliches Vorkaufsrecht an seinem hälftigen Miteigentumsanteil eingeräumt, das zudem auch vererblich sein und für alle Verkaufsfälle gelten sollte. Nach dem Tod des Erblassers und der befreiten Vorerbin beantragten die Eigentümer die Löschung des dinglichen Vorkaufsrechts und legten hierzu den Erbschein vor, der die Ehefrau als befreite Vorerbin auswies und einen Nacherbenvermerk enthielt.

Nachdem das Grundbuchamt die Löschung des Vorkaufsrechts unter Verweis darauf verweigerte, dass kein Nachweis über die Nacherbfolge vorgelegt worden sei und die hiergegen eingelegte Beschwerde der Eigentümerin erfolglos war, schloss sich auch das OLG dieser Auffassung an. Ein Erbschein für den Vorerben mit Nacherbenvermerk bezeugt nur das Vorerbenrecht und muss nach Eintritt des Nacherbfalls eingezogen werden.

Hinweis: Der Nachweis der Erbfolge im grundbuchrechtlichen Verfahren kann - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nur durch einen Erbschein geführt werden.


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.02.2024 - 14 W 96/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 05/2024)

Totenfürsorgerecht: Grundgesetzlich geschützte Totenruhe überwiegt Anspruch auf Umbettung

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) hatte sich in zweiter Instanz mit einem Fall zu beschäftigen, dessen problematischer Ursprung in der versehentlich erfolgten doppelten Vergabe eines Nutzungsrechts an einer Grabstelle lag. Dieses Versehen schnell zu beseitigen, ist aufrgund der heiklen Umstände, die der Verlust eines Menschen naturgemäß mit sich bringt, entsprechend schwierig.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) hatte sich in zweiter Instanz mit einem Fall zu beschäftigen, dessen problematischer Ursprung in der versehentlich erfolgten doppelten Vergabe eines Nutzungsrechts an einer Grabstelle lag. Dieses Versehen schnell zu beseitigen, ist aufrgund der heiklen Umstände, die der Verlust eines Menschen naturgemäß mit sich bringt, entsprechend schwierig.

Besagte Grabstelle war im Juni 2019 im Wege eines Vorratskaufs zur zukünftigen Nutzung an den Beigeladenen des Verfahrens zur Verfügung gestellt worden. Im Dezember 2019 wurde dann aufgrund eines Versehens in der Friedhofsverwaltung die Mutter der Klägerin in dieser Grabstelle beigesetzt. Zwei Wochen nach der Beerdigung fiel der Verwaltung der doppelte "Verkauf" der Grabstelle auf - die Klägerin wurde letztlich aufgefordert, eine Umbettung der verstorbenen Mutter in eine andere Grabstelle zu dulden.

Ebenso wie das Verwaltungsgericht Köln in der ersten Instanz war auch das OVG der Ansicht, dass das Interesse der Verwaltung an einer Umbettung ausnahmsweise die durch das Grundgesetz geschützte Totenruhe des Verstorbenen als über den Tod hinaus andauernder Bestandteil seiner Menschenwürde überwiege. Dieses Interesse an der Wahrung der Totenruhe sei auch nicht davon abhängig, ob die Bestattung in dem Wahlgrab rechtmäßig sei oder nicht.

Hinweis: Das Totenfürsorgerecht wird nicht zwingend durch das Erbrecht bestimmt. Das Totenfürsorgerecht hat in erster Linie derjenige, der vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten durch eine entsprechende Vollmacht mit der Wahrnehmung betraut worden ist. Der Totenfürsorgeberechtigte kann aber zugleich auch Erbe sein.


Quelle: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.03.2024 - 19 A 604/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 05/2024)

Corona-Pandemie: Rückzahlung der Hotelkosten trotz Buchung eines nichtstornierbaren Tarifs

Die Folgen der Corona-Pandemie beschäftigen immer noch die Gerichte - in diesem Fall den Bundesgerichtshof (BGH). Dabei ging es einmal mehr um die Stornierung einer gebuchten und bezahlten Reise, deren Antritt in eine pandemische Hochphase fiel. Die Frage war nun, welche Bedeutung die Tatsache mit sich bringt, sich für einen nicht stornierbaren Tarif entschieden zu haben: Muss man sich dann einfach auf einen anderen Termin vertrösten lassen?

Die Folgen der Corona-Pandemie beschäftigen immer noch die Gerichte - in diesem Fall den Bundesgerichtshof (BGH). Dabei ging es einmal mehr um die Stornierung einer gebuchten und bezahlten Reise, deren Antritt in eine pandemische Hochphase fiel. Die Frage war nun, welche Bedeutung die Tatsache mit sich bringt, sich für einen nicht stornierbaren Tarif entschieden zu haben: Muss man sich dann einfach auf einen anderen Termin vertrösten lassen?

Eine Frau buchte im Oktober 2019 für sich und vier Mitreisende drei Doppelzimmer in einem Hotel in Lüneburg für Mai 2020. Dabei wählte sie einen nicht stornierbaren Tarif und bezahlte im Voraus. Eine Woche vor der Reise erklärte sie, dass sie die Buchung doch storniere, und bat um Rückzahlung. Sie bezog sich dabei auf einen Beschluss der niedersächsischen Landesregierung, wonach die Einschränkungen für das touristische Reisen bis zum 25.05.2020 gälten. Das Hotel lehnte die Rückzahlung und eine Verschiebung der Buchung um ein Jahr ab und bot lediglich eine Umbuchung auf die Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen, jedoch nicht später als bis zum 30.12.2020 an. Schließlich klagte die Frau das Geld ein.

Die Klage gewann sie, und auch eine Revision des Hotels blieb vor dem BGH erfolglos. Die Frau hat ihr Geld zurückbekommen. Dem Beklagten war durch das behördliche Verbot zur Beherbergung von Gästen die Leistungserbringung schlichtweg unmöglich geworden - und damit hatte die Frau auch das Recht, ihrerseits vom Vertrag zurückzutreten.

Hinweis: Es wird noch einige Urteile zu Geschehnissen während der Corona-Zeit geben. Das ist auch gut so. Denn falls wir noch eine Pandemie erleben, wird vieles klarer sein.


Quelle: BGH, Urt. v. 06.03.2024 - VIII ZR 363/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 05/2024)

Bei Nachlassverwaltung: Keine gerichtliche Genehmigung für Antrag auf Teilungsversteigerung nötig

Eine Teilungsversteigerung dient der zwangsweisen Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft an einem Grundstück bzw. einer Immobilie. Für einen Nachlasspfleger ist dabei anerkannt, dass er für eine solche Antragstellung eine ausdrückliche Genehmigung des Nachlassgerichts benötigt. Ob diese Genehmigungspflicht auch für den Nachlassverwalter gilt, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Eine Teilungsversteigerung dient der zwangsweisen Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft an einem Grundstück bzw. einer Immobilie. Für einen Nachlasspfleger ist dabei anerkannt, dass er für eine solche Antragstellung eine ausdrückliche Genehmigung des Nachlassgerichts benötigt. Ob diese Genehmigungspflicht auch für den Nachlassverwalter gilt, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2021 beantragte ein Miterbe erfolgreich die Anordnung einer Nachlassverwaltung. Der Nachlassverwalter stellte im Jahr 2023 einen Antrag auf Anordnung einer Teilungsversteigerung eines im Miteigentum des Erblassers stehenden Grundbesitzes.

Neben der Frage der Beschwerdeberechtigung einer am Verfahren formal nicht beteiligten Person hat sich das OLG insbesondere auch mit der Frage beschäftigt, ob für die Antragstellung eine Genehmigungspflicht bestanden hat. Eine Genehmigungspflicht im Zwangvollstreckungsverfahren besteht ausdrücklich nur für Betreuer und Vormunde, weshalb auch anerkannt ist, dass dies auch für Nachlasspfleger gilt, deren Aufgabe darin besteht, für die unbekannten Erben zu handeln. Diese sind ähnlich schützenswert wie Betreute oder Mündel von Vormunden. Ein solches Schutzbedürfnis besteht im Fall der Nachlassverwaltung aber nicht, da die Erben dort nicht unbekannt sind. Daher benötigt der Nachlassverwalter grundsätzlich keine Genehmigung des Nachlassgerichts für einen Antrag auf eine Teilungsversteigerung.

Hinweis: In dem Verfahren auf Erteilung einer Genehmigung sind die Mitberechtigten an dem Grundstück nicht beschwerdeberechtigt. Deren Einwände können nur im Teilungsversteigerungsverfahren selbst geltend gemacht werden.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.03.2024 - 21 W 16/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 05/2024)

Kein Personalausweis ohne Fingerprint: EuGH sieht Achtung des Privatlebens und Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten gewahrt

Deutschland setzte wie andere EU-Mitgliedstaaten eine europäische Verordnung um: Seit August 2021 werden in Deutschland Fingerabdrücke im Chip von Ausweisen gespeichert. Ob die Verwendung dieser höchstpersönlichen Daten gegen geltendes Recht verstoße, wollte nun das Verwaltungsgericht Wiesbaden (VG) vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen.

Deutschland setzte wie andere EU-Mitgliedstaaten eine europäische Verordnung um: Seit August 2021 werden in Deutschland Fingerabdrücke im Chip von Ausweisen gespeichert. Ob die Verwendung dieser höchstpersönlichen Daten gegen geltendes Recht verstoße, wollte nun das Verwaltungsgericht Wiesbaden (VG) vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen.

Ein deutscher Staatsbürger klagte gegen die Weigerung der Stadt Wiesbaden, ihm einen neuen Personalausweis ohne Aufnahme seiner Fingerabdrücke auszustellen. Das VG verlangte nun vom EuGH, eine Prüfung der Gültigkeit der Unionsverordnung durchzuführen, die die Verpflichtung vorsieht, zwei Fingerabdrücke in das Speichermedium von Personalausweisen aufzunehmen.

Der EuGH sah dabei jedoch keine Rechtswidrigkeit der Verordnung. Die Verpflichtung zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken im Personalausweis ist mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten durchaus vereinbar.

Hinweis: Die Verordnung wurde jedoch auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt. Der EuGH erklärte daher die Verordnung für ungültig. Da eine Ungültigerklärung der Verordnung mit sofortiger Wirkung schwerwiegende negative Folgen für eine erhebliche Zahl von Unionsbürgern und für ihre Sicherheit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben könnte, bleibt sie dennoch in Kraft. Nun aber muss eine neue Verordnung innerhalb einer angemessenen Frist verabschiedet werden, spätestens bis zum 31.12.2026.


Quelle: EuGH, Urt. v. 21.03.2024 - C-61/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 05/2024)

Desaströse Dacharbeiten: Neues zu den Pflichten des Verwalters einer Wohnanlage

Dieses Urteil sollte alle Verwalter von Wohnungseigentumsanlagen hellhörig werden lassen. Denn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt, dass die verwalterischen Pflichten wesentlich weitreichender sind, als häufig in der Praxis angenommen wird.

Dieses Urteil sollte alle Verwalter von Wohnungseigentumsanlagen hellhörig werden lassen. Denn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt, dass die verwalterischen Pflichten wesentlich weitreichender sind, als häufig in der Praxis angenommen wird.

Das Haus einer Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) erhielt ein neues Dach. Die Arbeiten wurden durchgeführt und dann bei einem Baufortschritt von etwa 90 % eingestellt. Ein später erteiltes Gutachten ergab, dass die Arbeiten mangelhaft und unbrauchbar waren. Der Verwalter hatte nun jedoch bereits über 100.000 EUR bezahlt, größtenteils in Teilzahlungen, ohne dass dazu Abschlagsrechnungen erteilt worden waren. Deshalb verlangte die Eigentümergemeinschaft nun von dem Verwalter die Zahlung von 104.500 EUR nebst Zinsen.

Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht mit folgenden Hinweisen zurückverwiesen: Hat eine WEG mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es zu den Pflichten des Verwalters, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei der Bewirkung von Zahlungen ist er verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der WEG sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind. Zahlt der Verwalter im Zuge der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig Abschläge, kann für die Ermittlung des Schadens der WEG nicht allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden. In den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen ist vielmehr auch, ob und in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen Leistungen gegenüberstehen, trifft die WEG. Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen scheidet aus, solange eine vertragsgerechte Leistung noch im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer herbeigeführt werden kann. Ist dagegen die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer.

Hinweis: Der Verwalter hat also letztendlich wie ein Eigentümer zu handeln. Wirklich überraschend ist das letztendlich nicht. Denn dafür ist der Verwalter eben genau da.


Quelle: BGH, Urt. v. 26.01.2024 - V ZR 162/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 05/2024)